Collage & Biografiearbeit

Collage als Struktur-, Denk- und Handlungsprinzip

Das Wesen der Collage liegt nicht nur in einem bildnerischen Verfahren, sondern auch in einer Grundhaltung des Menschen zu den Dingen, die er erfährt und die ihn umgeben.

Dem kreativen Akt zu Grunde liegen Wahrnehmung und Würdigung des Vorhandenen, Gesammelten, Fragmentarischen. Collagieren beginnt mit einer Sichtung dieser Ressourcen , entwickelt sich über das Spiel (Sortieren, Kombinieren, Experimentieren, Sezieren, etc.) und mündet durch Zufall, Intuition oder Entscheidung in ein neues Bild. Ein wesentliches Stilelement von Collagen sind überraschende Brüche, d.h. ungewohnte Kombinationen von Motiven, Materialien oder Techniken. Neu geschaffene Bilder generieren – im besten Fall – neue Sichtweisen auf die vorgefundenen Fragmente. (vgl. Klaus Eid, Collage und Collagieren, DuMont Buchverlag 1990, S. 14)

Collagieren als biografisches Arbeiten

Der gestalterische Akt der Collage ähnelt dem des biografischen Arbeitens und verläuft in mancher Hinsicht auch kongruent. Ressourcenorientierte Biografiearbeit knüpft wie das Collagieren an Vorhandenem an. Im Vorgefundenen wird nach dem noch Möglichen oder neu zu Betrachtendem gesucht. Vergangene, gegenwärtige und zukünftige Lebensfragmente werden fragend und forschend in neue Zusammenhänge gestellt und erfahren – im besten Fall – Neubewertungen im Hinblick auf spezifische Fragestellungen. Collagieren ermöglicht im Hinblick auf biografisches Arbeiten nicht nur individuell kreative Zugänge auf bildnerischer, symbolhafter Ebene, sondern eröffnet ein breites Portal intuitiver Herangehensweisen an Themen, Motive und Fragestellungen. Ein wesentliches Merkmal ist dabei das gestalterische Spiel mit Brüchen. Das so kreierte Ungewohnte inspiriert zu neuen Sichtweisen.

Gestalterische Prinzipien von Collagen

Gewohnheitsbrüche entstehen z.B. durch folgende gestalterische Operationen:

  • Umdeutung der ursprünglichen Sinnhaftigkeit (z.B. aus einem Kronkorken wird ein Auge)
  • Umdeutung von Raum (z.B. Fische schwimmen durch ein Haus)
  • Ungewohnte Kombination von Materialien und Techniken (z.B. genähtes Papier)
  • Ungewohnte Kombination von Hintergrund und Figur (z.B. Strichmännchen in Landschaftsfoto)
  • Ungewohnte Kombination von Figur und Hintergrund (z.B. fotografierte Figur wird auf Geschenkpapier montiert)
  • Partielle Umfunktionierung (z.B. das Eis wird zum Mikrophon)
  • Schaffen neuer Größenverhältnisse (z.B. großes Gummibärchen sitzt im Sessel)
  • Verdecken oder Wegnehmen einzelner Bildelemente (z.B. Ersetzen des Kopfes durch einen Kreis)
  • Kombination unterschiedlicher Zeitebenen (z.B. alter Mensch tanzt in Technoclub)
  • Kombination unterschiedlicher Sinnzusammenhänge (z.B. Lehrer unterrichtet am Strand)
  • Sammlung von ähnlichen Motiven aus unterschiedlichen Zusammenhängen (z.B. alles, was rund ist)
  • Änderung der üblichen Farbigkeit (z.B. blaue Banane)
  • Differenzierende Gestaltung eines Vielfältigen (z.B. M. Monroe von Andy Warhol)
  • Sichtbarmachen von Unsichtbarem (z.B. Verbindungen zwischen Menschen durch Linien)
  • Fokussierung einzelner Elemente (z.B. durch Übermalung der Umgebung)
  • Kombination unterschiedlicher Farbspektren (z.B. rosa Kaninchen vor schwarzweißem Hintergrund)
  • Herstellen neuer Beziehungen (z.B. Frau küsst Strandmöwe)
  • Personalisierung von Gegenständen (z.B. sprechendes Sofa)
  • Ersetzen figuraler Elemente (z.B. aus einem Arm wird ein Flügel)
  • Schaffung von Leerräumen (z.B. durch das Weglassen einer Figur)

u.v.m.

Aus gestalterischer Sicht gibt es unterschiedliche Collagetypen, z.B. Reißcollage, Sammlung (mit System, ohne System), Rollage, Reizbildcollage, Wortcollage (Buchstaben, Text), Decollage, Überzeichnung, Fotomontage, Grafikcollage, Assemblage, Empaquetage, Land Art, Bildtransfers, u.v.m. (ebd.)

Für gestalterische Biografiearbeit im Sinne von Collagen eignen sich insbesondere Fotos, bzw. Kopien davon. Desweiteren kann montagefähiges Material jeglicher Art verwendet werden, z. B. alte Briefe, Postkarten, Schulhefte, Zeugnisse, Briefmarken, Etiketten, Bäckertüten, Noten, handgeschriebene Zettel, Verpackungsmaterial, Tapete, Buchseiten, Bastelpapier, Zeitungen, u.v.m