Die Ordnung der Dinge

Systemkasten zur Ausstellung/ für den Aktionstisch

Der Kasten enthält:

  • 10 jeweils zweifarbig bemalte quadratische Malpappen
  • 6 quadratische Malpappen mit Glitzeraufklebern
  • 10 Holzquadrate mit Motivstempel und schwarzweiß gemusterter Rückseite
  • 56 Tonfliesen auf Filzgleitern
  • 5 Filzmatten in der Farbe der Filzgleiter unter den Fliesen
  • ein ungezähltes Sortiment von „Schätzen“ (Murmeln, Glitzerkram, Knöpfe, Muscheln,…)
  • 5 Paare gleichfarbiger Wäscheklammern und 1 Schnur
  • 4 Mustertücher und 1 Drahtspiel (Mandala)
  • ein ungezähltes Sortiment von paarigen Bändern und Puscheln
  • ein Sortiment von 20 paarigen Stoffstücken
  • ein Sortiment von 16 zumeist älteren Alltagsgegenständen (Köder, Schraube, Kerzenhalter,…)

Grundidee des Kastens

Der Kasten ist gedacht für einen Aktionstisch im Rahmen der Ausstellung „Die Ordnung der Dinge“ von Inga Jürgensen. In der Ausstellung werden Fotos von Kreationen ihres Vaters Volker gezeigt, die er mit Alltagsgegenständen geschaffen hat. Als ehemaliger Architekt und Mann mit dementieller Veränderung fand er eine ganz eigene Ordnung der Dinge, deren Sinn, Schönheit und Poesie Inga auf Instagram unter der Überschrift „Zucker und Geduld“ mit Fotos dokumentierte sowie klug und feinsinnig beschrieb. Über Instagram kam ein lebendiger Kontakt zu Stande, der nun zu einer kleinen Kooperation mit Atelier Neuhaus geführt hat. Mein Name ist Gabriele.

Biografische Hintergründe

Es liegt nahe, dass auch ich mit dem Thema Demenz Erfahrungen habe. Mein Vater entwickelte in seinen letzten Jahren zunehmend dementielle Veränderungen und war -wie Ingas Vater – irgendwann ausschließlich auf fremde Hilfe angewiesen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Angehörigen, mit denen ich im Austausch war, habe ich Demenz nie als Schreckgespenst empfunden, sondern als eine Veränderung von Raum-, Zuordnungs- und Zeitgefügen, die es gemeinsam zu erkunden gilt. Sicherlich hat meine Ausbildung als Sonderpädagogin den Weg zu einer akzeptierenden Haltung geebnet: nicht gegen Dinge arbeiten, sondern mit ihnen leben lernen. Wenn wir das tun, entdecken wir viel Unerwartetes und Schönes – nur eben in einer anderen, für uns ungewohnten Ordnung. Ich habe als umtriebiger Mensch mit meinem Vater vielfach die Schönheit des Moments erleben dürfen.

Einen weiteren ebenfalls biografischen Hintergrund zum Systemkasten gibt es aus der Kindheit. Ich habe es geliebt, Dinge zu sortieren und in eine gute Ordnung zu bringen: von klein nach groß, von hell nach dunkel, von gerade bis gebogen usw. Noch heute ist es für mich ein Moment größter Genugtuung und Freude, wenn Dinge gut und platzsparend untergebracht sind. Ich liebe Kategorienbildungen und könnte ewig neue erfinden. Das ist dem Kasten vielleicht anzumerken.

Dahinter steckt ein riesengroßes Bedürfnis nach Ordnung und Fassbarkeit, vielleicht auch Kontrolle der Dinge, schien mir im Alltag als Kind doch vieles durcheinander, chaotisch und nicht nachvollziehbar. Das Ordnen war Überlebensstrategie.

Eine Ordnung in die Dinge zu bringen ist ein tiefes menschliches Bedürfnis. Wie mag es Menschen gehen, die gewohnte Ordnungen verlieren, es irgendwie bemerken, aber nicht einordnen und zuordnen können? Wieviel Angst, Unsicherheit, Frustration und Versagensgefühl müssen mit dem Verlust einer „ordentlichen“ Welt einhergehen?

Der Systemkasten will einladen, Ordnungen herzustellen. Es gibt dafür keine Regeln, kein richtig, kein falsch. Es kann Domino, Memory, Rätselraten, Verstecken u.v.m. gespielt werden. Die Dinge sind so ausgewählt, dass sie vielleicht an greifbare Erinnerungen anknüpfen können: das karierte Hemd, die Schraube am Regal oder die hübsche Borte am Kleid. Vielleicht gibt es Geschichten zu Dingen. Die eigens angefertigten Keramikfliesen bieten greifbare Erfahrungen an. Sie unterscheiden sich in Farbe, Form und Haptik und können unterschiedlich geordnet werden.

Was natürlich nicht fehlen darf, ist das süße Pendant: der Systemkasten für Kekse.

Und dann kann es losgehen: mit Zucker und Geduld!